Produktmanager bilden eine Schlüsselrolle im Unternehmen. Es wird von Ihnen erwartet Trends, die unmittelbaren und mittelbaren Einfluss auf das Unternehmen haben, einschätzen zu können. Die Einschätzung in eine Chance oder ein Risiko soll mit begleitenden Marketingmaßnahmen zur Sicherung des Unternehmenserfolgs und im besten Fall zum Wachstum der verantwortlichen Warengruppe führen.
Gerade Produktmanager, die schon mehr als 10 Jahre im Marketing tätig sind, haben Marketing-Lehrbücher von Meffert, Burmann, Esch oder auch Kotler genossen. In den vergangenen Jahren hat sich die Marketinglandschaft nun aber eingehend verändert. Denken wir nur an die Entwicklungen rund ums digitale Marketing. Grund hierfür ist die Digitalisierung und Globalisierung der Märkte. Wer den Anspruch an sich hat ein/e gute/r Produktmanager/in zu sein, stellt sich dieser Herausforderung und setzt sich mit diesem Wandel innerhalb der VUCA-Welt auseinander. D.h. hierbei geht es um eine Erweiterung von Arbeitsweisen und Skills.
Zuerst ist es dabei wichtig zu verstehen, was genau mit VUCA-Welt im Produktmanagement gemeint ist. Der Artikel beleuchtet unterschiedliche Kontexte im Produktmanagement und gibt dann eine Handlungsanweisung auf, die Ihr Produktmanagement kundenzentrisch und wettbewerbsfähig, kurz zukunftsfähig, macht.
VUCA-Welt
Torsten Scheller beschreibt in seinem Buch „Auf dem Weg zur agilen Organisation“ sehr treffend wie sich Akteure (Unternehmen, Individuen) in dieser VUCA-Welt fühlen: „In dieser Welt gibt es keine festen Regeln, keine Gewissheiten und klar zu erkennende Zusammenhänge mehr: Alles ist möglich – sogar dessen Gegenteil. Und gleich darauf schon wieder etwas anderes!“. Damit im Hinterkopf ist es nun einfach die 4 Komponenten der VUCA-WELT zu verstehen:
Für mehr Informationen zu der Unterscheidung der einzelnen Komponenten ist dieser Artikel zu empfehlen.
VUCA im Produktmanagement
Auch im Produktmanagement sind die Einflüsse der VUCA-Welt zu spüren. Folgende Beispiele verdeutlichen das:
Diese sehr praktischen Beispiele helfen die Einflüsse der VUCA-Welt besser fassen zu können. Nachfolgend wird eine typische Aufgabenstellung im Produktmanagement erklärt. Es lässt sich schnell erkennen, an welche Grenzen das klassische Projektmanagement stößt und somit nicht auf die VUCA-Welt adäquat reagieren kann.
Eine typische Situation im Produktmanagement
Die Bearbeitung von Innovationsprojekten wird oft durch das klassische Projektmanagement abgewickelt. Das heißt, durch gewisse Annahmen der Rahmenbedingungen und erwarteten Ergebnissen wird ein Projekt planerisch durchdacht und dann in Milestones beschrieben. Tayloristisch werden die Schritte laut Plan nacheinander abgearbeitet.
Nicht selten kommt es aber beim Befragen der Zielgruppe innerhalb der Marktforschung vor, dass vorher getätigte Annahmen nicht bestätigt werden. Dann wir das Produktkonzept erneut angepasst. D.h. es werden weitere Schleifen in der Marktforschung eingeplant, weil der Kunde nicht die Annahmen bestätigt hat und sich eine Verbesserung am Produkt wünscht. Dies verlängert den ursprünglichen Projektplan und bindet mehr Arbeitsaufwand und Budget. Im schlimmsten Fall wiederholt sich dieser Vorgang ein weiteres Mal im Projekt oder die Marktbedingungen ändern sich durch neue Produkte des Wettbewerbs. Dies führt zu Demotivation im Projektteam sowie zu einer deutlichen Verzögerung in der Produkteinführung. Das wiederum generiert eine Lücke in den geplanten KPIs wie z.B. dem Umsatz.
Dieses Beispiel zeigt wie die Dimensionen der VUCA-Welt Einfluss auf Innovationsprojekte hat. Hinter Ihrer Zielgruppe stehen Menschen, deren Präferenzen nicht mit Sicherheit vorausgesagt werden können. Gerade bei innovativen Produktkonzepten ist dies ein Problem, weil die Kunden sich nicht unbedingt Ihrem Bedürfnis oder gar Kaufgrund bewusst sind. Dies ist also ein komplexer Vorgang innerhalb Ihres Innovationsprojekts. Eine weitere Dimension der VUCA-Welt in dem obigen Beispiel ist die Unsicherheit, die durch den Launch des Wettbewerbsprodukts hervorgerufen wird. Gegen Wettbewerbskräfte können Sie nicht viel unternehmen, aber das Thema Komplexität im Innovationsprojekt können Sie aktiv angehen und mitgestalten. Dafür gibt das Cynefin-Modell eine gute Übersicht über die Aufgaben-Art, die im Produktmanagement anfallen.
Das Cynefin-Modell
Das Cynefin-Modell teilt die anfallenden Aufgaben z.B. im Produktmanagement in 4 unterschiedliche Kontexte ein. Ausgehend von der richtigen Einordnung kann dann im zweiten Schritt die passende Handlungsanweisung gegeben werden.
Einfacher Kontext: Dafür wird gerne ein Fahrrad als Beschreibung herangezogen. Es ist einfach konstruiert, jeder kann es leicht fahren. Im Produktmanagement in Lebensmittelunternehmen ist zum Beispiel das Überprüfen der Texte eines Etiketts gegen die vorliegende Spezifikation ein einfacher Kontext. Ich erkenne den Text, beurteile, ob er richtig oder falsch ist und reagiere mit Änderungen des Textes.
Komplizierter Kontext: Das Zerlegen eines Flugzeugs in viele Einzelteile und danach wieder zusammen zu setzen, ist kompliziert, wird aber durch Experten der Flugzeugtechnik beherrscht. Im Produktmanagement eines Lebensmittelunternehmens ist die Entwicklung von neuen Rezepturen in einer bereits bestehen Warengruppe so eine Aufgabe. Also zum Beispiel die Entwicklung einer BBQ-Sauce durch den Produktentwickler, wenn schon Steak-Sauce oder Ketchup im Sortiment des Unternehmens vorhanden sind.
Komplexer Kontext: Komplexe Systeme, wie z.B. Menschen oder andere Lebewesen, sind nicht 100% zu verstehen oder können auseinander und wieder zusammengesetzt werden. Vielmehr ist der Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung erst im Nachgang erkennbar. Im Produktmanagement sind also Aufgaben, die mit einer kundenzentrierten Entwicklung von Neuprodukten im Zusammenhang stehen komplexe Aufgaben. Ihre Zielgruppe ist ein komplexes System und deren Bedürfnisse und Kaufgründe zu erkennen, sind erst nach einer Befragung möglich.
Chaotischer Kontext: Hier wird als Beispiel gerne der Verlauf eines Feuers genannt. Es wechselt seine Intensität und Richtung schlagartig. Die aktuellen Brände in Australien sind dafür ein gutes Beispiel. Andere Ereignisse sind Krieg, Terroranschläge oder Naturkatastrophen.
An diesem Modell lässt sich also leicht erkennen, dass Innovationsprojekte dem komplexen Kontext zugeordnet werden. Das angemessene Vorgehen in dieser Situation lautet: probieren – erkennen – reagieren. So ist es also nicht zu empfehlen bei der Entwicklung von innovativen und neuen Konzepten die bisherigen Arbeitsweisen des klassischen Projektmanagements anzuwenden. Die Rahmenbedingen sind dafür nicht gegeben. Vielmehr gibt es eine effektivere und effizientere Vorgehensweise in der VUCA-Welt Innovationsprojekte erfolgreich zu führen.
Wie gelingt es Ihnen den Herausforderungen der VUCA Welt im Produktmanagement zu begegnen?
Ändern Sie Ihre Projektführung! Wechseln Sie von der klassischen Projektführung zu der agilen Projektführung innerhalb der Aufgaben, die in einem komplexen Kontext fallen. Und dabei gibt es eine einfache Regel. Solange Sie Ihr Produkt noch nicht fertig entwickelt haben und noch auf das Feedback des Kundens angewiesen sind, sollten Sie schrittweise (iterativ) und aufeinander aufbauend (inkrementell) in der Produktentwicklung arbeiten. Entwickeln Sie Ihr Produkt nicht bis ins kleinste Detail über einen langen Zeitraum, sondern versuchen Sie so schnell wie möglich immer wieder erste Prototypen gegenüber Ihrer Zielgruppe abzutesten. Lernen sie aus dem Kundenfeedback und passen Sie Ihre Produktinnovation wieder an. Sie wechseln also von einer bis zwei Marktforschungszyklen zu vielen kleinen Kundentests. Sie arbeiten dann absolut kundenzentrisch.
Methoden für eine agile Arbeitsweise sind Design Thinking, Scrum oder auch Lean Management.
Sobald Sie das Produkt fertig entwickelt haben, können Sie wieder ins klassische Projektmanagement wechseln, denn nun wechselt das Innovationsprojekt in einen komplizierten Kontext, der planerisch umgesetzt werden kann.
Vorteile vom agilen Vorgehen
Eine agile Arbeitsweise bringt viele Vorteile mit sich:
*Diese Zahlen stammen vom erfolgreichen Einführen der agilen Arbeitsweise in Softwarefirmen, da hier diese Arbeitsweise schon seit Mitte der 1990-er angewendet wird. Quelle: Torsten Scheller „Auf den Weg zur agilen Organisation“ S. 10.
Agile Arbeitsweisen unter den richtigen Rahmenbedingungen wie ein komplexer Kontext in Ihren Innovationsprozess zu integrieren, sind also absolut sinnvoll für Ihr Unternehmen. Es ist Ihnen so möglich der VUCA-Welt zu begegnen und Ihr Unternehmen zukunftsgerecht aufzustellen.
Falls Sie noch nicht überzeugt sind, können Sie weitere Vorteile von agilem Arbeiten im White Paper „Wie Lebensmittelunternehmen 30% Kosten senken können“ finden oder für die, die lieber kurze Texte mögen, können Sie einen kurzen Ausschnitt im folgenden Artikel „Mit diesen 6 Tipps verkürzen Sie Ihre Time-to-Market“ nachlesen.
Wie Sie agile Arbeitsweisen in Ihr Produktmanagement einführen und wann genau Sie vom agilen zum klassischen Projektmanagement wechseln, können wir zusammen mit Ihren Projektteam erarbeiten. Melden Sie sich für ein Erstgespräch unter: linda.boltz@wertundehrlich.de.
Über die Autorin
Linda Boltz ist Strategieberaterin im Produktmanagement und hat 12 Jahre Erfahrung in Projekteinführungen innerhalb der Lebensmittelbranche für B2B oder auch FMCG Artikel. Sie kennt die Fallstricke sowie die Momente von „das haben wir schon immer so gemacht“. Ihr Credo: Einführungsprojekte können durchaus herausfordernd sein. Aber mit dem richtigen Team, einer angemessenen Arbeitsweise und einem gemeinsamen Ziel vor Augen ist der Produktlaunch schneller und qualitativ hochwertiger.